Gesundheit

Bin ich zu schwer für mein Pferd? – wie viel Gewicht ist noch gesund?

Mich hat vor ein paar Tagen die Frage von Blogleserin Michaela erreicht, ob es einen Richtwert gibt, ab wann ein Reiter zu schwer für sein Pferd ist. Danke erst einmal an Michaela für deine interessante Frage! Nun, erstmal sollte man erwähnen, dass ein Richtwert KEIN Grenzwert ist, denn wie ich schon in diesem Beitrag erwähnt habe, ist dies unter anderem abhängig vom Alter und damit verbundenen Ausbildungsstandes des Pferdes, der Bemuskelung und des Gebaeudes. Im folgenden Artikel werde ich auf die Einzelheiten etwas genauer eingehen und versuchen diese Frage mit bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.

Faustregeln

Wie für fast jedes Thema, was sich theoretisch berechnen lässt, gibt es Faustregeln. In meiner Recherche habe ich 3 verschiedene für euch gefunden:

Laut Gewichtsmaßband wiegt Wango 478kg

Die FN besagt quasi eine 20-Prozent-Grenze. Das heißt, dass der Reiter auf keinen Fall mehr als 20% des Körpergewichtes seines Pferdes haben darf. Wango sollte ca. 480kg wiegen, somit darf sein Reiter maximal 96kg wiegen.

Laut Anne Hoffmann, Pferdeosteopathin vom deutschen Hippologischen Institut, heißt es, es darf ungefähr ein Verhältnis von 1:7 sein (14,3%), was bei Wango rund 69kg wären.

Eine Beurteilung der Gewichtsbelastung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten vom September 2019 besagt, dass eine Gewichtsbelastung von 15% des Körpergewichtes für das Pferd unproblematisch sind, was sich ungefähr mit der Theorie von Anne Hoffmann deckt. Demnach dürfte ein Reiter mit 72kg Wango reiten.

Von welchen Faktoren hängt die Tragfähigkeit ab?

Wie ich im ersten Abschnitt bereits erwähnt habe, spielen neben dem Körpergewicht des Pferdes auch noch das Alter, der Ausbildungsstand, die Bemuskelung und das Gebäude eine Rolle. Doch auch das war noch nicht alles! Nicht nur der Ausbildungsstand des Pferdes, sondern auch der des Reiters ist ein wichtiger Faktor. Außerdem auch die passende Ausrüstung und sogar das Klima und die Bodenbeschaffenheit.

Das sollte ein schwerer Reiter mitbringen

Zu Beginn erst einmal die Definition „schwer“. Schwer bedeutet nicht gleich dick, denn Gewicht ist nicht gleich der BMI. Du kannst auch korpulent, aber nicht schwer sein. Dies ist einerseits abhängig von deiner Körpergröße, aber auch von deinem Knochenbau und deiner Muskulatur.

Bleiben wir aber vorerst bei der Körpergröße. Diese hat einen direkten Einfluss auf deine Position auf dem Pferderücken. Je größer du bist, desto höher liegt auch dein Schwerpunkt. Gehen wir mal in einem Beispiel davon aus, dass du sehr groß bist im Verhältnis zu deinem Pferd. Du galoppierst gerade, bist also schnell unterwegs. Aus Physik kennen wir doch sicher alle die Formel F=m*a (Kraft = Masse * Beschleunigung), d.h. je schneller du bist, desto größer ist auch die Kraft, die du auf den Rücken deines Pferdes bringst.

Verhältnis Pferd : Reiter

Der Ausbildungsgrad und die Balance des Reiters spielt also eine große Rolle. Du kannst ein leichter Reiter sein, der gerade mit dem Reiten beginnt und seinem Pferd beim Traben permanent in den Rücken fällt, wodurch eine hohe Kraft aufkommt. Da ist dem Pferd ein schwerer Reiter, der in Balance sitzt und gut beweglich ist viel angenehmer, weil die Kraft von oben stetig ist.

Passende Ausrüstung ist das A und O

Und das nicht nur in Bezug auf schwere Reiter sondern immer! Worauf ich aber hinaus möchte ist, dass der Sattel nicht nur dem Pferd passen muss, sondern auch seinem Reiter. Die Rückenlänge des Pferdes bestimmt die Auflagefläche und somit die Länge und die maximale Sitzgröße des Sattels. Dein Reiter-Popo sollte dort drinnen problemlos Platz finden und nicht auf bzw. sogar über dem Hinterzwiesel sitzen. Sitzt du mittig im Sattel, hast du die optimale Gewichtsverteilung auf den Pferderücken. Wird das Gewicht durch einen unpassenden Sattel zu weit nach hinten gebracht, so hast du einen punktuellen Druck auf den letzten Rippen des Pferdes.

Die Steigbügel müssen so eingestellt sein, dass deine Schulter, Hüfte und Fersen eine senkrechte Linie ergeben. Sind sie zu kurz, sitzt du wie auf einem Stuhl und verlagerst dein Gewicht zu weit nach hinten. Dadurch kommt der Druck wieder zu sehr auf die letzten Rippen. Sind sie zu lang, fällst du in den Spaltsitz und verlagerst dein Gewicht auf die Schulterblätter des Pferdes.

Wie kann ich die Tragfähigkeit meines Pferdes ermitteln?

Die Tragfähigkeit kann man wieder theoretisch mit Formeln berechnen. Aber wie gesagt, das ist alles nur die THEORIE! Fangen wir an mit der einfachsten Formel, bei der du nur die Widerristhöhe deines Pferdes kennen musst:

Dabei solltest du aber beachten, dass bei leichten Pferderassen und Ponys der Faktor 30 nur bedingt einzusetzen ist.

Auch der Röhrbeinumfang (RI) kann als Indikator für die Belastbarkeit des Pferdes dienen. Dazu gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die diese Theorie bestätigen können:

Je höher der RI, desto größer ist auch die Belastbarkeit. Ein RI von 3,5-4,0 gilt als „normal“. Weiteres dazu findest du auch in der oben genannten Beurteilung des Tierschutzes.

Der Röhrbeinumfang wird direkt unter dem Vorderfußwurzelgelenk gemessen.

Wenn dir für die Berechnung das Körpergewicht deines Pferdes fehlt, kannst du dieses einfach mit einem Koerpermassband ermitteln oder mit dieser Formel:

Ansonsten ist es auch sehr gut einmal die Pferdewaage in den Stall kommen zu lassen, denn nicht nur für die Ermittlung der Tragfähigkeit des Pferdes benötigst du das Gewicht, sondern auch für die Gabe von Wurmkuren oder einfach um zu wissen, ob dein Pferd sein Idealgewicht hat. Das Idealgewicht dient auch immer als Ausgangswert für die Beurteilung, sonst werden die Ergebnisse verfälscht.

So kannst du den Brustumfang und die Länge deines Pferdes ermitteln

Wie verbessere ich die Tragfähigkeit meines Pferdes?

Die Tragfähigkeit ist zwar hauptsächlich abhängig vom Gebäude des Pferdes, dennoch lässt sie sich durch gezieltes Muskeltraining verbessern. Damit das Pferd Muskeln aufbauen kann, musst du darauf achten, dass diese nicht verspannt sind. Dafür solltest du regelmäßig einen Physiotherapeuten oder Osteopathen auf dein Pferd schauen lassen. Es gibt auch Entspannungsgriffe bzw. Massagen, die du selber bei deinem Pferd anwenden kannst. Allerdings solltest du dir diese zuerst von einem Profi zeigen lassen.

Außerdem ist es sehr sehr wichtig die Zähne deines Pferdes mindestens 1x jährlich von einem Pferdezahnarzt kontrollieren zu lassen, denn auch durch schiefe oder zu lange Zähne können Verspannungen verursacht werden.

Sind die Muskeln locker, so kannst du mit dem Training beginnen. Viele denken immer, dass sie nur die Rückenmuskulatur stärken müssen, doch der Gegenpart, die Bauchmuskulatur ist ebenso wichtig. Um den Rücken nach oben zu bekommen, eignet sich zum Beispiel Stangentraining. Was aber noch viel wichtiger ist, ist die Hinterhandmuskulatur, denn durch diese wird die Versammlung möglich, wobei das Pferd mit seinen Hinterbeinen unter den Schwerpunkt tritt und somit die Last aufnimmt. Um diese zu trainieren, kannst du z.B. im Gelaende bergauf bzw. bergab reiten oder dein Pferd Rueckwaertsrichten und Seitengänge ausführen lassen.

Thema übergewichtige Pferde

Hast du ein übergewichtiges Pferd, musst du natürlich bedenken, dass es bereits ohne Reiter schon ein zusätzliches Gewicht tragen muss und somit in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Darunter leiden häufig die Gelenke, aber vor allem auch die Wirbelsäule des Pferdes.

Bei den oben genannten Berechnungen wird z.B. auch immer von dem Idealgewicht des Pferdes ausgegangen, sonst wird das Ergebnis verfälscht. Alles, was zusätzlich dazu kommt, wird mit auf das Gewicht des Reiters und der Ausrüstung gerechnet.

Woran erkenne ich, ob mein Pferd überlastet ist?

Stell dir vor du gehst wandern und hast dabei einen schweren Rucksack auf. Ist dieser nicht ergonomisch geformt, fällst du schnell ins Hohlkreuz und bekommst Rückenschmerzen. Außerdem kommst du unter dem Gewicht viel schneller aus der Puste, als wenn du ohne Rucksack wandern würdest. Ist dieser dann auch noch ungleichmäßig gepackt, also auf einer Seite schwerer, als auf der anderen, verlierst du viel häufiger das Gleichgewicht und kommst ins Stolpern.

So geht es auch den Pferden, wenn ihnen der Reiter zu schwer ist bzw. einfach die Kraft fehlt, um ihren Reiter tragen zu können. Sie stolpern häufig, finden keine korrekte Anlehnung, treten nicht unter den Schwerpunkt und weichen wohl möglich auch noch den Hilfen aus. Dies kann gravierende gesundheitliche Folgen mit sich ziehen. Darunter z.B. eine krankhafte Veränderung (Deformierung) der Wirbelkörper, Schrumpfung oder sogar Verkümmerung der Rückenmuskulatur, Sattel- und Gurtdruck und Lahmheiten.

Die Entstehung von Lahmheiten durch zu schwere Reiter wird sogar von einer Studie der Equine Veterinary Education im April 2019 bestätigt. Diese kannst du hier komplett lesen (auf Englisch).

Hast du festgestellt, dass das Gewichtsverhältnis von Reiter zu Pferd bei dir nicht ideal ist, so baue in dein Training ausreichende Erholungspausen für dein Pferd mit ein. Das heißt, dass du beispielsweise einen Tag eine kurze Reprise von ca. 30 Min reitest, die nächsten 2-3 Tage dann Bodenarbeit machst oder longierst und du dann wieder reitest. Die Dauer einer Einheit solltest du nach der Ausdauer deines Pferdes richten und erkennen, wann es eine Pause braucht oder erschöpft ist. Auf leistungsintensive Disziplinen, wie Springen und Vielseitigkeitsreiten solltest du dann möglichst verzichten.

Wie finde ich das passende Pferd für mich?

Es ist bewiesen, dass Pferde mit einem eher quadratischen Körperbau und steiler Schulter und Becken eine höhere Tragfähigkeit haben, als rechteckige Pferdetypen. Dazu sollten sie gut im Training stehen und dementsprechend bemuskelt sein und eine Pferdegerechte Ausbildung genossen haben. Vorsicht bei jungen, wenig trainierten oder übergewichtigen bzw. gesundheitlich und koerperlich angeschlagenen Pferden. Von diesen solltest du in dem Fall besser die Finger lassen.

Bekannte Vertreter von sogenannten Gewichtsträgern sind z.B. die Isländer und die Norweger. Aber auch hier solltest du trotzdem auf eine angemessene Bemuskelung und Gesundheit achten.

Pferde haben verschiedene Disziplinen…

…in denen sie ein besonderes Talent haben bzw. für die sie gezüchtet wurden. Danach richtet sich unter anderem ihre Körpergröße, der Körperbau, die Kondition und Gesundheit. Kaltblüter wurden z.B. vor allem für Kutschfahrten oder Holzarbeiten gezüchtet, Warmblüter für Dressur bzw. Springen und Voltigieren, Vollblüter eignen sich sehr gut für Distanzen oder Rennsport. Dabei müssen sie Lasten in unterschiedlichsten Formen tragen. Daher solltest du schon beim Pferdekauf im Hinterkopf haben, was du mit deinem Pferd machen und erreichen möchtest.

Kaufst du dir z.B. als schwererer Reiter einen Vollblüter und möchtest dann auch noch mit diesem Springen, ist das für das Pferd überaus anstrengend und vielleicht sogar schon gesundheitsgefährdend. Denn einerseits führt es eine Disziplin aus, die ihm vielleicht sogar Spaß macht und in der es gut ist, aber was für die Muskulatur schon überaus anstrengend ist und andererseits kommt dann auch noch das zusätzliche Gewicht des Reiters oben drauf.

Fazit

Pauschal kann man nicht genau sagen oder berechnen, ab wann ein Reiter zu schwer für sein Pferd ist. Dies sollte individuell mit Fachpersonal wie einem Tierarzt oder evtl. auch deinem Trainer untersucht werden.

Wenn du aber auf der sicheren Seite sein willst, solltest du den Studien nach zu urteilen ca. 12-15% des IDEALGEWICHTES deines Pferdes nicht übersteigen, wenn es in einem durchschnittlichen Trainingszustand ist.

Ich nehme da mal Wango und mich als Beispiel:

Wangos Idealgewicht beträgt ungefähr 480kg. Reiter + Zubehör dürften also die 72kg nicht überschreiten. Momentan hat er ein Gewicht von ca. 478kg. Sein Sattel wiegt etwa 6kg und ich habe 56kg. Sind zusammen 62kg, d.h. wenn Wango gut im Training steht, ist das kein Problem für ihn (rein rechnerisch). Aber wie ich ja in diesem Artikel geschrieben habe, ist das nur einer von vielen Faktoren, die bedacht werden müssen.

Wichtig ist, dass du dich auf deinem Pferd wohl fühlst und dein Pferd sich auch unter dir nicht verausgabt und Spaß am Reiten hat.

Anna

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4 Kommentare

  • Steffi

    Hey, ich wollte nur kurz auf einen Tippfehler hinweisen: F = m*a, a= Beschleunigung und nicht die Geschwindigkeit. Der Impuls P = m*v. Grüße, Steffi

  • Melanie

    Taugen diese Gewichtsmaßbänder denn etwas? Hat da vielleicht jemand einen Vergleich zur Pferdewaage? Also erst gewogen und dann mit dem Maßband gemessen oder so?

    • AnniUe

      Hallo Melanie,
      ich hatte vor ein paar Jahren die Pferdewaage da, wobei raus kam, dass Wango deutlich zu dick war. Daraufhin habe ich dieses Gewichtsmaßband besorgt und es kam annähernd das gleiche Gewicht raus. Mit dem Maßband habe ich regelmäßig Wangos Gewicht kontrolliert. Ich denke schon, dass die was taugen.

      Gruß
      Anna

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