Zügelführung und Zügelhilfen – eine sanfte Kommunikation
Anhalten und lenken macht man mit den Zügeln. So hat es wahrscheinlich die Mehrheit von uns damals in den Reitschulen an die Hand bekommen. Mit einer feinen Zügelführung und eindeutigen Zügelhilfen kann der Reiter allerdings weitaus mehr bewirken. Neben den Gewichts- und Schenkelhilfen sind sie ein wichtiges Kommunikationsmittel zwischen Pferd und Reiter und nehmen dabei nicht nur Einfluss auf den Kopf und Hals des Pferdes. Vorausgesetzt natürlich, das Pferd akzeptiert das Gebiss. Ob Reitanfänger oder Fortgeschrittener Reiter, vielen fallen die korrekten, feinen Zügelhilfen schwer. Daher bringe ich dir hier einen Überblick über alle Zügelhilfen und eine gute Zügelführung für das klassische Dressurreiten auf Trense mit.
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Doch bevor wir beginnen, habe ich noch eine Frage an dich:
Ob du mit deiner Antwort richtig liegst, klärt sich im Laufe des Beitrags auf. Also bleib dran und lerne die sanfte Kommunikation mit deinem Pferd über die Zügel. Denn nur, wenn du die verschiedenen Einwirkungsmöglichkeiten deiner Zügelhilfen verinnerlicht hast, kannst du dein Pferd sinnvoll und gesunderhaltend gymnastizieren.
Inhalt
Was versteht man eigentlich unter Zügelführung und -hilfen?
Die Reiterhilfen werden eingeteilt in Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen. Dabei sind die Zügelhilfen die, die dem Pferd als letztes gegeben werden, also wenn es weder auf eine Gewichtsverlagerung, noch auf den treibenden Schenkel reagiert. Da die Zügel direkt mit dem Maul des Pferdes verbunden sind, sind Zügelhilfen zwar eine sehr effektive, aber auch durchaus anspruchsvolle und knifflige Hilfe und werden demnach niemals alleinstehend gegeben! Ein Ziehen kann Gegendruck und sogar Schmerzen beim Pferd verursachen, weshalb Zügelhilfen immer in Impulsen vorkommen.
Sie wirken verhaltend über Maul, Genick, Hals und Rücken auf die Hinterhand des Pferdes. Neben der Kontrolle über die Kopf- und Halsposition, spielt die Zügelführung also auch eine große Rolle in Bezug auf das Tempo und den Rahmen. Zieht die Zügelhand z.B. rückwärts, kann der Schwung nicht mehr durch den Rücken in die Hinterhand fließen und das Pferd schiebt nach hinten heraus, anstatt unter den Schwerpunkt zu treten.
Stellung und Biegung wird ebenfalls durch entsprechende Zügeleinwirkung erarbeitet. Um eben mit diesen Zügelhilfen verständlich einzuwirken, muss der Reiter eine elastische, federnde Verbindung zum Pferdemaul in allen Gangarten halten und zügelunabhängig sitzen können. Bereits eine geringe Körperanspannung fließt durch die Reiterhände in das Pferdemaul!
Merke: Zügelhilfen werden NIEMALS dauerhaft gegeben! Sie sind lediglich eine unterstützdende Hilfe für Gewichts- und Schenkelhilfen. Das Ziel in der Pferdeausbildung sollte es sein, die Zügelhilfen auf ein Minimum zu reduzieren und das Pferd nur über den Sitz zu steuern.
typische Zügel- und Handfehler
Schauen wir uns doch erstmal die typischen Fehler in der Handhabung mit Zügeln an:
- Der Daumen liegt flach auf dem Zügel und hält ihn fest. Durch den Druck, den du mit dem Daumen ausüben musst, um die Zügel festzuhalten, verkrampft sich dein Handgelenk und bleibt steif. Somit ist ein lockere Zügelführung nicht mehr möglich.
- Die Handgelenke sind nach innen gedreht. Dadurch gibst du deinem Pferd bereits eine permanente, leicht seitwärtsweisende Zügelhilfe und das ist eine gravierende Störstelle in der federnden Verbindung zwischen Zügelhand und Pferdemaul. Ausgenommen ist natürlich das Reiten mit Gerte!
- Die Fäuste sind so weit geschlossen, dass sich deine Fingernägel in die Haut bohren. Das war jetzt natürlich etwas übertrieben beschrieben und dient nur der Deutlichkeit. Hast du deine Fäuste aber ununterbrochen fest zusammen gedrückt, kannst du diese Bewegung nicht mehr als feine Zügelhilfe verwenden, sondern musst bereits zu stärkeren Mitteln greifen.
- Du begleitest im Schritt nicht die natürliche Nickbewegung deines Pferdes mit den Händen. So bekommt es bei jedem Schritt einen unangenehmen Ruck im Maul und wird sich früher oder später hinter dem Zügel verkriechen, um diesem auszuweichen.
- Die Hände werden dauerhaft zu hoch getragen und die Ellenbogen-Hand-Maul-Linie ist somit unterbrochen. Zügelhilfen kommen also nicht mehr korrekt am Pferdemaul an und es ist keine sanfte Anlehnung möglich.
- Du hältst dich an den Zügeln fest. Dies ist ein fataler Fehler und bereitet dem Pferd Schmerzen im Maul! Du gibst ihm sozusagen permanent ein Signal zum anhalten und musst mit den anderen Hilfen dagegen ankämpfen. Das Pferd ist das komplette Gegenteil von durchlässig.
Ich könnte noch weiter machen, allerdings sind dies die Fehler, die ich am häufigsten zu sehen bekomme. Wie du deine Zügelhand richtig halten solltest, beschreibt Andrea Lipp, Trainerin für klassisch-barocke Reitkunst, auf ihrem Blog in dem Artikel: Sitzthema „Zügelführung“ sehr schön.
Diese Zügelhilfen werden unterschieden
Reiterliche Hilfen werden in den seltensten Fällen differenziert betrachtet. Dennoch unterscheidet man sogar zwischen einzelnen Zügelhilfen, die demnach aber nie losgelöst von Sitz und Schenkel gegeben werden. Sie nehmen Einfluss auf die Bewegungen des Pferdes und den damit zusammenhängenden Energiefluss durch den gesamten Körper.
Zu Beginn dieses Artikels hatte ich dich ja gefragt, wie viele Zügelhilfen es gibt. Dazu merke ich mir einfach folgendes Wort
V A N D S
V – Verwahrender Zügel: Diese Zügelhilfe wird mit der äußeren Hand gegeben, wenn du dein Pferd z.B. stellen bzw. biegen möchtest. Er bedeutet nichts anderes, als das Pferd in seiner Stellung zu begrenzen. Du gibst mit ihm also so weit nach, dass dein Pferd die geforderte Stellung und Biegung ausführen kann. Außerdem hält er durch Anlegen am Hals die äußere Schulter in der Spur, damit das Pferd in der Wendung nicht auf diese Schulter fällt oder über sie ausbricht.
A – Annehmender Zügel: Deine Hände bleiben in ihrer Grundposition und du schließt einfach deine Fäuste, wirkst dabei aber nicht rückwärts. Das war schon alles! Und diese Zügelhilfe kannst du entweder einseitig als halbe Parade zur Vorbereitung für Stellung und Biegung oder beidseitig als ganze Parade und als Hinweis zum Rückwärtsrichten geben.
N – Nachgebender Zügel: Auf den annehmenden Zügel (und auch jede andere Zügelhilfe) folgt IMMER der nachgebende! Er bedeutet nichts anderes, als deine Hand wieder in ihre Ursprungsposition zurück zu führen und die Fäuste leicht zu öffnen. Dabei muss aber die leichte Verbindung zum Pferdemaul erhalten bleiben. Den nachgebenden Zügel kannst du dir als Belohnung für dein Pferd vorstellen, wenn es die Wendung, Lektion etc. ausgeführt hat, die du gefordert hast.
D – Durchhaltender Zügel: Darunter versteht man einfach einen dauerhaft annehmenden Zügel, z.B. wenn das Pferd gegen den Zügel geht, bis das Pferd mit Nachgeben im Genick reagiert. In der klassischen Reitkunst und Légèreté nennt man das „Aktion-Reaktion“. Dort führt man dabei die Zügelhand allerdings zusätzlich nach oben. Sie ist die einzige Zügelhilfe, die länger als ein Impuls anstehen darf! Bei Reaktion muss aber unbedingt die nachgebende Zügelhilfe folgen.
S – Seitwärtsweisender Zügel: Wie der Name bereits verrät, soll diese Zügelhilfe das Pferd seitwärts in eine Wendung, Seitengang und Pirouette bringen. Gerade bei jungen Pferden nutzt man diese Hilfe häufiger, um ihnen „die Tür zu öffnen“. Dabei führst du deine jeweilige Zügelhand seitwärts in die Richtung, in die das Pferd (mit der Schulter) abwenden soll. Sobald es dies getan hat, geht die Hand zurück in ihre Grundposition.
Merke: Es gibt keine rückwärtswirkende Zügelhilfe! Die Zügelfaust sollte demnach NIEMALS Richtung Oberschenkel wandern.
Alles, was nach unten und hinten zieht, wirkt unangenehm auf die Zunge und Lade des Pferdes.
Gunnar Wiedner – Ausbilder in der Légèreté
Damit haben wir 5 verschiedene Zügelhilfen. Wer hatte es richtig? Allerdings bildet hier auch die Légèreté wieder eine Ausnahme, denn hier gibt es noch die „Arrêts“. Dies sind sozusagen halbe Paraden nach oben. Man kann sie als Vibrieren oder leichtes Zupfen beschreiben. Durch Arrêts bewirkst du ein Leichterwerden in der Hand, wenn das Pferd zu tief kommt oder sich auf den Zügel legt. Ein in der Ausbildung fortgeschrittenes Pferd kannst du so auffordern sich weiter aufzurichten und in Selbsthaltung zu gehen. Somit wäre auch Antwort 3 mit 6 Zügelhilfen korrekt gewesen 😉
Weiterhin wird zwischen dem direkten und dem indirekten Zügel unterschieden. Während der direkte Zügel eine direkte Wirkung auf das Maul des Pferdes nimmt, z.B. beim annehmenden und nachgebenden Zügel, wirkt der indirekte Zügel durch Anlegen am Hals auf diesen und die gleichseitige Schulter. Somit wird der verwahrende Zügel „unterstützt“.
Zügel überstreichen, aus der Hand kauen lassen und nachfassen
Durch das Überstreichen kannst du bei einem Pferd, das in der Ausbildung bereits fortgeschritten ist, die Selbsthaltung überprüfen. Dazu gibst du mit einem oder sogar mit beiden Zügeln kurzzeitig die Anlehnung auf, indem du die Zügel nach vorne führst. Dein Pferd darf dies nicht als Einladung sehen seinen Hals zu strecken, sondern sollte maximal die Nase ein wenig vor nehmen.
Auch das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen ist eine Art Überprüfung der Haltung. Dabei gibst du eine halbe Parade am Zügel und lässt diese beim Nachgeben langsam aus der Hand gleiten. Dein Pferd sollte nun den Kontakt suchen und seinen Kopf und Hals nach vorwärts/abwärts Dehnen. Allerdings nicht weiter, als bis zum Buggelenk (als Richtwert). Wie weit ist natürlich auch abhängig von dem Exterieur deines Pferdes. Wichtig ist, dass es dabei nicht auf die Vorhand fällt!
Nachdem du die Zügel aus der Hand kauen lassen hast, musst du sie natürlich wieder aufnehmen und ggf. nachfassen, um das Zügelmaß anzupassen. Dies sollte zentimetergenau überdacht und Wert auf die korrekte Ausführung gelegt werden, um dein Pferd optimal zu unterstützen. Oft sieht man, dass die Finger am Zügel sozusagen nach vorne krabbeln. Das ist falsch! Denn du zuppelst dabei immer wieder im Maul und lässt den Zügel leicht vibrieren. Das könnte vom Pferd falsch verstanden werden. Stattdessen nimmst du beide Zügel zuerst in die innere Hand, verkürzt mit der äußeren den Zügel und wiederholst es mit der inneren.
Warum zuerst die äußere Seite? Der äußere Zügel begrenzt immer die äußere Schulter. Würdest du zuerst den inneren Zügel verkürzen, könnte dein Pferd dies als Einladung zum Abwenden deuten, anschließend fehlt ihm die äußere Anlehnung und es läuft über die äußere Schulter. Das wollen wir verhindern!
Die Gangarten und ihre Besonderheiten in der Zügelführung
Anreiten – Damit dein Pferd beim ersten Schritt nicht wieder direkt durch den Zügel ausgebremst wird, weil du ihn noch starr in der Hand hältst, musst du ihm den Weg nach vorne ermöglichen, indem du die Zügel leicht nach vorne frei gibst. Dabei aber unbedingt die feine Verbindung zum Maul erhalten und die Zügel nicht wegschmeißen.
Schritt – Im Schritt macht das Pferd von Natur aus ein Nickbewegung mit den Kopf. Auch hier stört eine starre Hand, weshalb du diese mit denen Händen zulassen musst.
Antraben – Auch beim Antraben musst du deinem Pferd, ebenso wie beim Anreiten, den Weg nach vorne freigeben.
Leichttraben – Beim Leichttraben steht der Reiter im Takt des Trabes auf und setzt sich wieder. Häufig gehen dabei auch die Hände mit hoch und runter, was sich natürlich auf das Maul des Pferdes überträgt. Deshalb musst du hier darauf achten deine Ellenbogen im Moment des Aufstehens zu öffnen und beim Einsitzen wieder leicht zu knicken. So bleiben deine Hände immer in ihrer Grundposition.
Angaloppieren – Anders als beim Anreiten oder Antraben gibst du beim Angaloppieren nur mit der inneren Hand etwas nach. Du kannst sie auch etwas nach oben nehmen, so wie es in der klassischen Dressur üblich ist. Dabei gibst du dem inneren Vorderbein deines Pferdes, mit dem der Galopp beginnt, den Weg nach vorne frei. Auch hier wieder unbedingt die Verbindung zum Pferdemaul beibehalten.
Anhalten – Eine ganze Parade gibt man mit beiden Zügeln im Zusammenhang mit den anderen Reiterhilfen. Achte auf jeden Fall darauf mit dem Zügel nachzugeben, sobald dein Pferd zum Halten gekommen ist.
Fazit
Wie du sehen kannst, ist die Zügelführung ganz schön knifflig und es kann schnell zu Missverständnissen zwischen Reiter und Pferd kommen. Bewahre aber immer Ruhe, auch wenn etwas mal nicht sofort funktioniert und ziehe bitte NIEMALS an den Zügeln! Ausnahme ist, wenn dein Pferd durchgeht und dich und andere in seiner Umgebung in Gefahr bringt. Hier solltest du anschließend allerdings an den Basics arbeiten und/oder deine Reaktion und dein Tun überdenken.
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