Die Skala der Ausbildung
Die Skala der Ausbildung – das Ausbildungssystem des Reitpferdes gibt es in verschiedenen Reitweisen. Sie schlängelt sich wie ein roter Faden durch die gesamte Reitausbildung und sogar durch jede Trainingseinheit und soll dem Reiter/der Reiterin als Richtungsweiser dienen.
Den Begriff „Ausbildungssystem“ finde ich persönlich nicht passend gewählt, da jedes Pferd individuell behandelt und ausgebildet werden sollte und nicht nach einem bestimmten Schema F. Leider interpretieren aber genau das viele Reiter/innen aus der Skala der Ausbildung, was meiner Meinung nach der Darstellung geschuldet ist.
Inhalt
Die Skala der Ausbildung der FN
Die bekannte Skala der Ausbildung der FN, besteht aus den 6 Punkten Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung in genau dieser Reihenfolge. Sie wird, laut FN, als Fundament in der Pferdeausbildung der klassischen Reitlehre definiert und basiert auf deren Grundsätzen.
Die häufigste Darstellung, und so ist sie auch bei der FN zu finden, ist nämlich die Pyramide. Und genau da liegt die Schwierigkeit, wenn man von oben genannter Reihenfolge ausgeht und darauf beharrt! Du kannst von deinem Pferd nicht zu Beginn einer Reiteinheit erwarten, dass es Taktrein läuft, ohne dass du es durch lösende Arbeit zur Losgelassenheit gebracht hast. Genauso wenig wird es in einer konstanten Anlehnung laufen können, ohne dass du es Geraderichtest und Schwung entwickelst.
Neben den 6 Elementen innerhalb der Pyramide, kann man auf der linken Seite 3 Phasen sehen, die sich in ihren Bereichen überschneiden, woraus der Eindruck eines Zusammenspiels entsteht. Auf der rechten Seite siehst du 2 Pfeile mit Durchlässigkeit und Gleichgewicht, die Richtung Pyramidenspitze zeigen. Sie sind das übergeordnete Ziel einer jeden Reiteinheit. Oftmals werden aber nur Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung als Skala der Ausbildung erwähnt.
Die Skala der Ausbildung der EWU
Die Ausbildungsskala der EWU, also der Westernreiter/innen sieht ähnlich aus, wie das das Modell der FN. Allerdings finde ich hier die Darstellungsweise als Kreis passender, da es kein nacheinander abarbeiten suggeriert, sondern eher einen immer wiederkehrenden Prozess beschreibt. Dabei bleiben Takt und Losgelassenheit bestehen, allerdings folgt darauf „Nachgiebigkeit (Dehnungsbereitschaft an die Reiterhand)“, „Aktivierung der Hinterhand (Energie in der Bewegung)“, anschließend kommt die Geraderichtung und zum Abschluss, als Zentrum des Kreises, die „Absolute Durchlässigkeit“.
Die Nachgiebigkeit entspricht im Westernreiten in etwa der Anlehnung bei der FN. Allerdings bedeutet Nachgiebigkeit, dass es keine permanente Zügelverbindung zum Maul gibt, sondern eine Beizäumung am losen Zügel, bei der das Pferd selbstständig eine korrekte Kopf-Hals-Haltung einnimmt.
Die Aktivierung der Hinterhand beschreibt das aktive Untertreten der Hinterhand bei durchschwingendem Rücken, um Schub- und Tragkraft zu entwickeln. Im Prinzip also das Gleiche, wie der Begriff „Schwung“ im Englischreiten.
Bei der vollständigen Durchlässigkeit wird eine Verschiebung der Gewichtsverteilung von der Vorhand auf die Hinterhand angestrebt. Wir erkennen auch hier eine vergleichbare Beschreibung zum Begriff „Versammlung“ aus der FN. Der große Unterschied hier ist, dass bei der Darstellung der FN die Durchlässigkeit als Pfeil neben der eigentlichen Pyramide erwähnt wird, was im Westernreiten die Spitze der Pyramide darstellt. Im Allgemeinen ist mit der Durchlässigkeit das eigentliche Ziel der Pferdeausbildung gemeint, nämlich die Zusammenfassung aller, ich nenne es mal Teilbereiche der Pyramide.
Die Skala der Ausbildung anders interpretiert
Deshalb habe ich mich viel auf diesem Gebiet schlau gelesen und verschiedene Meinungen eingeholt. Folgendes ist dabei raus gekommen:
„Der Takt kann nur aus einer Arbeit entstehen, die das Pferd in der Vorwärtsbewegung entspannt und biegsam macht (Losgelassenheit), das heißt aus einer vorangehenden Schulung des Pferdes in Bezug auf die Hilfen, also die Hand (Anlehnung) und die Schenkel (Impulsion).“
Philippe Karl
Bleiben wir erstmal bei den oben genannten 6 Punkten: Häufig werden sie in Form einer Pyramide dargestellt, Takt steht dabei ganz unten und Versammlung bildet die Spitze, was schnell daraus schließen lässt, dass sie aufeinander aufbauen. Diese Interpretation ist allerdings vollkommen falsch! Natürlich gehören alle dieser Punkte zum Allgemeinwissen eines Reiters/einer Reiterin und sollten als Prüfsteine beachtet werden. Deshalb habe ich die Darstellung und Reihenfolge ein wenig abgeändert, einige Begriffe ergänzt und werde sie im Folgenden ausführlich erklären.
Ich will dir nun kurz diese Abbildung erläutern: „Kondition“ stellt das Fundament im Pferdetraining dar. Ohne das Pferd auf die folgende Arbeit konditioniert zu haben, kannst du es nicht gesunderhaltend trainieren! Darauf baut der Eckpfeiler „Koordination & Konzentration“ auf, die die Grundlage für gute und zielgerichtete Bewegungen darstellen.
Betrachten wir nun die erste Stufe „Vertrauen“, kannst du sehen, dass alle 6 Punkte der Ausbildungsskala und die beiden weiteren Stufen „Schubkraft“ und „Tragkraft“ darauf aufbauen, wobei die Säulen „Losgelassenheit“ und „Anlehnung“ direkt darauf verankert sind. Kann sich dein Pferd nicht auf dich als führende Person verlassen, wird es auch nicht loslassen bzw. die Anlehnung an deine Hand suchen.
Pferde brauchen Kraft um sich mit einem Reiter gesund bewegen zu können. Hier unterscheiden wir in Schub- und Tragkraft, wobei die Tragkraft erst aus der Schubkraft heraus entstehen kann. Die „Schubkraft“ ist also die zweite Stufe, aus der sich ein gleichmäßiger „Takt“ und schöner „Schwung“ in allen Grundgangarten entwickelt.
Die dritte Stufe ist nun also die Förderung der „Tragkraft“, woraus sich das Pferd geraderichten und versammeln kann. Diese sollte mindestens so weit wie die Schubkraft ausgebildet werden, damit das Dach, bestehend aus „Gleichgewicht & Durchlässigkeit“ getragen werden kann. Fehlt eine der genannten Säulen, Stufen oder sogar das Fundament, kommt die komplette Konstruktion ins Schwanken. Damit möchte ich dir verdeutlichen, dass diese Begriffe nicht einfach aufeinander aufbauen, sondern voneinander abhängig sind. Daher finde ich z.B. die Darstellung der Ausbildungsskala als Kreis, wie es die EWU macht, schlüssiger. Kannst du meinen Gedankengang nachvollziehen?
Kondition als Fundament
Viele Reiter/Innen denken bei dem Wort „Kondition“ sofort und ausschließlich an Ausdauer. Allerdings ist Kondition bzw. Konditionstraining ein sehr weit gefächerter Begriff. Er beschreibt im Großen und Ganzen den aktuellen Zustand der nervlichen, sowie körperlichen Verfassung und Leistungsfähigkeit des Pferdes. Die sogenannte Grundkonditionierung ist also nicht mal eben schnell gemacht, sondern ein langwieriger Prozess, der sich über Jahre strecken kann. Quasi unser tägliches Training mit unserem Pferd.
Dein Pferd benötigt eine gute Kondition, um gewisse Zusatzaufgaben, neben seinem Dasein als Pferd, ausführen zu können. Dazu zählen z.B. einen Reiter tragen, schwere Dressurlektionen ausführen oder lange Ausritte in hügeligem Gelände absolvieren zu können. Ziel ist es das Verletzungsrisiko beim Training auf ein Minimum zu reduzieren.
Koordination und Konzentration
Die Koordination beschreibt grob gesagt die motorischen Fähigkeiten deines Pferdes. Das bedeutet, dass das Zusammenspiel zwischen wahrgenommenem Reiz und der Ausführung der entsprechenden Bewegung reibungslos funktioniert. Das können unter anderem Muskelreize oder Gleichgewichtsreize sein, durch die dann die zu erwartende Bewegung von den Muskeln ausgeführt wird. Stolpert dein Pferd z.B. über eine Bodenstangen, sendet der Gleichgewichtssinn einen Reiz an das Gehirn, wodurch dein Pferd sein Ungleichgewicht wieder ausgleicht. Eine gute Koordination sorgt also für zielgerichtete Bewegungen!
Allerdings ist die Voraussetzung für eine gute Koordination ein aufmerksames Pferd. Durch das Leben als Fluchttier, liegt es in der Natur des Pferdes stehts wachsam auf Reize von außen zu achten. Jedoch sollten sie lieber ihre Konzentration auf die Ausführung der geforderten Lektion und vor allem auf dich als Reiter/in lenken. Das kann nur geschehen, wenn das Vertrauen zwischen euch als Team da ist. Und damit sind wir schon bei der ersten Stufe angekommen.
Vertrauen in Form der Losgelassenheit und Anlehnung
Vertrauen fängt im Umgang mit dem Pferd an, beim Führen, Anbinden und natürlich auch der Bodenarbeit. Ist dieses vorhanden, kann auch mein Reiten gestärkt werden. Daraus resultiert die Losgelassenheit. Das Pferd macht also quasi den Kopf frei, lässt die Muskulatur locker und fixiert sich auf dich und deine Hilfen. Dabei dehnt es sich vertrauensvoll an die Reiterhand heran und sucht die Anlehnung. Anlehnung bedeutet demnach NICHT, dass du deinem Pferd eine Haltung mit den Zügeln vorgibst.
Takt und Schwung durch Schubkraft
Die Schubkraft beschreibt die Gehfreude des Pferdes und keine Verstärkungen etc. Daraus entsteht ein gleichmäßiger Takt in den Grundgangarten, der einen losgelassenen Rücken voraussetzt. Aus einem losgelassenen Rücken entsteht Schwung, der aus einer energisch abfußenden Hinterhand resultiert, der Schubkraft. Wie ihr sehen könnt, stehen hier alle Bausteine im Zusammenhang, um harmonische Gangarten zu erzielen.
Geraderichtung und Versammlung entstehen durch Tragkraft
Hier entsteht der Übergang von Schubkraft zur Tragkraft und somit zur Geraderichtung des Pferdes. Ein geradegerichtetes Pferd kann den Schwung in den Gangarten noch weiter verstärken und somit eine noch bessere Grundlage zum Ausbau der Tragkraft schaffen. Diese ist essentiell für die Versammlungsfähigkeit.
Und spätestens jetzt sind wir an dem Punkt, an dem klar wird, dass alle 7 Säulen die gleiche Traglast für das Dach stemmen, denn um ein Pferd korrekt in Versammlung reiten zu können, muss es seine Beine gut koordinieren und sich auf die reiterlichen Hilfen konzentrieren können, losgelassen in Anlehnung gehen, seinen Takt beibehalten und den Schwung von hinten nach vorne leiten und geradegerichtet sein.
Das Ziel in der Pferdeausbildung
Was in der Pyramide der FN ganz rechts als Pfeil nur angedeutet, im Ausbildungskreises der EWU als Zentrum dargestellt wird und in der unserer Darstellung als Dach fungiert, ist das Ziel der Dressur: Gleichgewicht und Durchlässigkeit. Damit ist gemeint, dass das Pferd auf feinste reiterliche Hilfen reagiert, du zwischen Schub- und Tragkraft immer wieder wechseln kannst und sich dein Pferd selber trägt. Und nur, wenn das Fundament, die Kondition, die 3 Stufen Vertrauen, Schub- und Tragkraft mit den 7 Säulen Koordination & Konzentration, Losgelassenheit, Anlehnung, Takt, Schwung, Geraderichtung und Versammlung zusammenwirken, erreicht dein Pferd die vollkommene Durchlässigkeit.
Das beschreibt ebenfalls, dass du zwischen den einzelnen Säulen hin und her springen kannst. Hast du die Versammlung des Pferdes erreicht, heißt das nicht, dass du die Schubkraft nicht weiter ausbauen kannst. Denn wie gesagt, die einzelenen Elemente bauen nicht aufeinander auf, sondern sie sind gegenseitige Voraussetzungen, um das Gesamtgerüst stützen und tragen zu können.
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