Richtig longieren lernen – mehr als nur Bewegung im Kreis
Longieren ist bei manchen Reitern für ihre bereits weit ausgebildeten Pferde aus mir unerklärlichen Gründen ein No-Go. Es wird lediglich bei Jungpferden, zum Ablongieren vor dem Reiten oder zu Reha-/Aufbauzwecken angewendet. Dabei besteht ein ausgewogenes und abwechslungsreiches Pferdetraining nicht nur aus Reiten, sondern umfasst zu gleichen Teilen die Bodenarbeit.
Das Longieren ist nicht einfach nur stumpfes Zentrifugieren im Schritt, Trab und Galopp, sondern eine tolle Trainingsergänzung zur gymnastizierenden Arbeit mit dem Pferd. Es verrät so unglaublich viel über die Balance des Pferdes, fördert zudem die Losgelassenheit, den Muskelaufbau, Takt und Schwung. Außerdem bringt es das Herz-Kreislauf-System in Schwung. Einer der größten Vorteile: Dein Pferd kann neue Übungen und Lektionen lernen ohne das zusätzliche Reitergewicht mit ausbalancieren zu müssen.
Nebenbei festigen Pferd und Reiter hierbei ihre Partnerschaft. Der Reiter/Longenführer lernt beim Longieren seinen Blick für die Bewegungen seines Pferdes zu schulen und es ganzheitlich wahrzunehmen. Habe ich dein Interesse geweckt?
Inhalt
Die Longierausrüstung
An den Kopf des Pferdes kommt zum Longieren nichts anderes, als ein gut passender Kappzaum oder alternativ ein Knotenhalfter. Ich bevorzuge allerdings den Kappzaum, der fest am Kopf sitzen sollte, damit er nicht verrutschen und seine Wirkung verlieren kann. Du als Longenführer braucht natürlich eine Longe, die in den mittleren Ring des Kappzaums eingeschnallt wird. Dabei solltest du am besten darauf achten, dass die Longe keinen schweren Karabiner zur Befestigung hat. Dieser kann bei schnelleren Gangarten auf der Pferdenase herumhüpfen und Schmerzen verursachen.
Eine Peitsche benötigst du natürlich auch noch. Ich verwende eine ganz normale Longierpeitsche mit langem Schlag, wenn ich z.B. eher am Tempo und der Hinterhand arbeiten möchte. Die ist allerdings relativ schwer in der Hand. Für die weiterführende Longenarbeit, auf die ich später noch zu sprechen komme, nehme ich auch gerne eine Bodenarbeitsgerte. Das war es auch schon an Aurüstung…
Nun fehlt noch der richtige Platz. Gerade mit jungen Pferden empfehle ich einen ausreichend großen (20m) Longierzirkel, da hier dem Pferd eine äußere Anlehnung durch die Bande gegeben ist. Dadurch fällt es ihm leichter seinen Zirkel zu halten, als wenn es auf dem Reitplatz zur offenen Zirkelseite hin die Kreislinie alleine finden muss. Im laufe der Ausbildung ist es dann allerdings sinnvoll auf den Reitplatz zu wechseln. Darauf komme ich später noch einmal zurück.
Kappzaum oder Knotenhalfter?
Ich bin, gerade bei jungen Pferden oder unerfahrenen Longenführern eine klare Verfechterin des Kappzaums. Er liegt einfach deutlich besser am Pferdekopf an und ist dabei sogar sanfter und gezielter bei der Hilfengebung. Dein Pferd lernt mit dem Kappzaum die Stellung im Genick und die Biegung der Längsachse, da es auf das Genick einwirkt. Dadurch kannst du ihm das reelle Anheben des Brustkorbs bzw. der inneren Schulter beibringen, wodurch es sich physisch schonend auf der Kreisbahn bewegen lernt. Genau das ist der erste Meilenstein des Longierens!!
Das Knotenhalfter hingegen liegt recht locker am Kopf und verrutscht leicht bei Zug an der Longe. Zwar wirkt es ebenfalls auf das Genick des Pferdes ein, durch seine Knoten am Nasenriemen allerdings auch auf zwei sehr empfindliche Punkte. Das ist auch so gewollt! Demnach ist es deutlich schärfer, gleichfalls aber undeutlicher in der Hilfengebung. Das Knotenhalfter gehört meiner Meinung nach nur in erfahrene Hände und ist viel mehr für die reine Bodenarbeit gedacht.
Die Longierposition und -hilfen
Pferde kommunizieren unter anderem über Körpersprache. Diese machst du dir als Longenführer zunutze. Damit es dabei nicht zu Missverständnissen kommt, gibt es unterschiedliche Longierpositionen, die du erst einmal ausprobieren solltest.
- Die neutrale Grundposition ist auf Schulterhöhe deines Pferdes. Dabei spielt der Abstand zwischen euch eine untergeordnete Rolle. Die Peitsche sollte Richtung Sprunggelenk auf den Boden zeigen.
- Möchtest du das Tempo deines Pferdes erhöhen oder in eine höhere Gangart wechseln, bewegst du deinen Körper weiter Richtung Hinterhand, behältst dabei aber den Abstand bei. Zur Verstärkung kannst du die Peitsche anheben, bis das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt.
- Soll dein Pferd sein Tempo verlangsamen oder gar anhalten, bewegst du dich Richtung Pferdekopf bzw. davor. Auch hier bleibt der Abstand unverändert. zur Verstärkung kannst du deine Peitsche ebenfalls vor das Pferd nehmen.
Eine logische und systematische Hilfengebung ist wichtig für eine funktionierende Kommunikation zwischen dir und deinem Pferd. Jede Bewegung mit der Peitsche oder sogar mit deinen Armen sollte einem bestimmten Signal zugeordnet sein. Machst du diese Bewegungen nicht bewusst, kann es dazu kommen, dass dein Pferd deine Signale irgendwann ignoriert.
Ein Knallen mit der Peitsche oder „Berühren“ des Pferdes mit dem Schlag ist nicht erwünscht! Dies kann Angst beim Pferd hervorrufen und eher zu Verspannungen statt zur Losgelassenheit führen. Zeigt dein Pferd nicht die gewünschten Reaktionen, kannst du Stimmkommandos einbauen oder deine Körpersprache verstärken, indem du beim Treiben oder Bremsen einen energischen Schritt auf dein Pferd zugehst.
Weiterführende Arbeit an der Longe
Longieren ist eine feine Kommunikation zwischen dir und deinem Pferd. Das bedeutet also nicht nur sich in die Mitte des Longierzirkels zu stellen und das Pferd um sich herum laufen zu lassen, sondern sich auch mit dem Pferd zu bewegen. Traue dich vom Zirkel weg und nutze den kompletten Platz aus. Dieser Arbeit sind dabei keine Grenzen gesetzt und dein Pferd kann sogar Seitengänge erlernen und geradegerichtet bzw. versammelt werden. Dabei gibt es dann keinen gravierenden Unterschied mehr zwischen Longen- und Handarbeit. Es geht quasi ineinander über, aber gerade diese Kombination ist ein wertvolles Training für dein Pferd. Equikinetic gehört für mich z.B. auch dazu 😉
Was beim Longieren oder generell bei der Handarbeit meiner Meinung nach am Pferd nichts zu suchen hat, sind Hilfszügel! Sie schränken nur die natürlichen Bewegungen des Pferdes ein und zwingen es in eine Haltung, anstatt diese reell zu erarbeiten. Auch wenn dies einen höheren Zeitaufwand beansprucht. Pferd und Reiter werden an dieser Art der Arbeit viel mehr Spaß zusammen haben. Das musste ich, wie du rechts sehen kannst, allerdings auch erstmal lernen…
Ebenso, wie die Handarbeit, gehört für mich die Arbeit an der Doppellonge zur weiterführenden Longenarbeit. Dabei ist zu beachten die Longen nicht in die Gebissringe einzuhängen, sondern in die seitlichen Ringe am Kappzaum. Gerade, wenn du die Longenführung um die Hinterhand bevorzugst. An der Doppellonge kannst du dir alle erdenklichen Lektionen erarbeiten und diese später vom Sattel aus verbessern und praktizieren. Cool oder?
Fehler erkennen und beheben
Viele werden wahrscheinlich die Redewendung „Verschleiß im Kreis“ kennen. Damit liegen sie in vielerlei Hinsicht auch nicht ganz falsch. Die permanente Kreislinie kann dem Pferd schaden. Läuft es in Schräglage in der „Motorradposition“, anstatt sich zu Biegen, werden die Gelenke und Bänder übermäßig beansprucht. Es läuft dann auf der Vorhand. Das ist meist dann der Fall, wenn sich das Pferd auf einem zu klein gewählten Zirkel noch nicht ausbalancieren kann. Erarbeite in diesem Fall eine korrekte Stellung und vergrößere den Zirkel bzw. verlagere dein Training z.B. auf den Reitplatz.
Die Hinterhand sollte nicht mit den Hufspitzen den Boden „schleppen“, sondern aktiv unter den Schwerpunkt fußen. Es geht also darum, dass die Hinterhand durch ein flottes, angenehmes Tempo aktiviert und dabei der Takt beibehalten wird. Oft sieht man nämlich Pferde an der Longe, die nur widerwillig und unmotiviert vorwärts kriechen und die Hufe hinter sich her ziehen. Auch hierbei läuft das Pferd häufig auf der Vorhand.
Die Longe ist nicht dazu da, um die Kräfte mit deinem Pferd zu messen. Auch durchhängen sollte sie nicht. Sie dient zur feinen Anlehnung, damit du eine reelle Stellung und Biegung erarbeiten kannst. Das geht allerdings nicht, wenn du mit Trense longierst und die Longe im Gebiss eingehänkt hast oder gar noch Hilfszügel verwendest, die dein Pferd in eine Haltung zwingen! Longieren an der Trense kann schädlich für dein Pferd sein. Über das Gebiss soll eine feine Kommunikation möglich sein, die durch Gewicht und Zug nicht möglich ist und dem Pferd sogar Schmerzen im Maul bereiten kann. Nebenbei verursachen die Schwingbewegungen der Longe oder locker verschnallter Hilfszügel diffuse Einwirkungen, die zu Verwirrung beim Pferd führen können. Hier also unbedingt auf einen gut sitzenden Kappzaum zurückgreifen!
Was hat dein Pferd beim Longieren am Kopf? Bevorzugst du beim Kappzaum einen mit Naseneisen oder lieber ohne? Schreib es gerne in die Kommentare!