Verhalten & Psychologie

Ist es müde? – Darum gähnen Pferde wirklich

Das Pferd reißt genüsslich das Maul auf, schließt dabei die Augen und dehnt seinen Hals nach vorne. Manchmal streckt es dabei sogar die Zunge raus und vollführt künstlerische Zungenakrobatik. Meist dauert es 5-10 Sekunden. Teilweise wird es sogar mehrmals wiederholt, unterbrochen von einem sinnlichen Kauen. Doch in den seltensten Fällen ist das Pferd dann tatsächlich müde. Gähnen kann viele Ursachen haben. Einem Teil davon bin ich auf den Grund gegangen.

Kommunikation mit Artgenossen und dem Menschen

Pferde benutzen das Gähnen zur Kommunikation in verschiedenen Situationen. Bringst du dein Pferd z.B. zurück in seine Herde und es geht gähnend auf seine Freunde zu, kann dies bedeuten, dass es sich sicher und wohl fühlt. Natürlich kann es das „Wohlfühl-Gähnen“ genauso gut zeigen, wenn du mit ihm arbeitest, wenn ihr eine vertraute Beziehung habt.

Bei (Pferde-)Freundschaften kommt das Gähnen häufig zum Einsatz, wenn sie sich einander nähern oder engen Körperkontakt halten. Man kann zum Teil sogar beobachten, dass sie gemeinsam gähnen. Das zeugt von Empathie. Doch nicht nur unter Pferden kann so eine Freundschaft bestehen, sondern auch zwischen Mensch und Pferd. Probier doch mal folgendes aus:

Näher dich deinem Pferd, runde dabei den Rücken und sei vollkommen entspannt. Dann gähnst du ausgiebig. Wiederhole das ruhig mehrmals. Manche Pferde spiegeln diese Geste wider. Ein Zeichen von Vertrauen und Entspannung.

Männliche Pferde, vor allem Hengste, gähnen öfter als Stuten. Das kann an einer allgemeinen Grundaggressivität gegenüber anderen Hengsten liegen. Hier ist das Gähnen ein Zeichen von Anspannung z.B. vor einem Kampf.

bei Stress, Schmerzen und Frustration

Bleiben wir doch gleich bei Anspannung. Verzerrt das Pferd beim Gähnen das Gesicht oder streckt den Hals nicht aus, deutet dies auf Schmerzen hin. Diese können komplett unterschiedlichem Ursprung sein. Von Magengeschwüren über Koliken, bis hin zu Blockaden. Letzteres lässt sich während des Trainings erkennen, wenn das Pferd beispielsweise immer bei einer bestimmten Bewegung gähnt.

Allerdings kann das auch ein Zeichen der Überforderung sein und Stress für das Tier bedeuten. Gähnen ist in diesem Fall eine Übersprunghandlung. Das Pferd kann aus der Situation nicht fliehen, also gähnt es. Hört sich zwar unvergleichbar an, aber wir Menschen wackeln bei Nervosität auch mit den Beinen, wenn wir der Situation nicht entfliehen können. Es ist schlicht und ergreifend eine Form von Stressabbau.

Das kann dann auch übergehen in das „Frustgähnen“. Das Pferd bekommt nicht das, was es will oder versucht etwas auszuüben, was es nicht kann und ist Frustriert. Dieses Verhalten zeigen rangniedere Pferde ebenfalls bei der Fütterung. Kommen sie nicht an das Heu, weil die ranghöheren Pferde fressen, sind die frustriert und gähnen.

beim Lösen der Muskulatur

Im Vorherigen Kapitel hatte ich bereits das Gähnen beim Training angesprochen. Auch hier muss es nicht zwingend negativ behaftet sein, sondern kann genauso gut ein Zeichen von Losgelassenheit darstellen. Manche Pferde gähnen bereits vor dem Reiten beim Warmführen, andere beim Cool-Down nach dem Training und wieder andere in der Lösungsphase. Dabei entspannen sich die Muskeln vor allem im Unterkiefer und Genick.

Gleiches kann man beobachten, wenn das Pferd in therapeutischer Behandlung ist. Durch Massagen, Einrenken etc. erwärmen und lösen sich die Muskelstränge. Durch Gähnen reguliert sich die Körpertemperatur bei allen Lebewesen und macht sie leistungsbereit.

bei Entspannung

Und damit sind wir bei dem letzten Ursprung: der Entspannung, die ja in gewisser Weise das Ergebnis einer gelösten Muskulatur ist. Beim Putzen vor dem Training oder auch dem anschließenden Besuch unter dem Solarium entspannt sich das Pferd und zeigt dieses durch ein ausgiebiges Gähnen.

Gähnen kann demnach einen körperlichen und psychischen Hintergrund haben. Sehr häufiges Gähnen sollte untersucht werden. Pferde mit Schmerzen oder Stress gähnen am häufigsten. Ansonsten heißt es: viel beobachten und analysieren.

Durch diese Recherche sehe ich Wangos Gähnen nun auch aus einem anderen Blickwinkel und werde es genauer unter die Lupe nehmen. Wie sieht es bei dir aus? Wann gähnt dein Pferd und wie oft? Schick mir doch gerne mal dein lustigstes Gähn-Foto deines Pferdes per Mail an wangoanni@web.de, Betreff „gähnen“. Da bekommen wir bestimmt eine ausgiebige Sammlung zusammen 🙂

Deine Anna

2 Kommentare

  • Selina Konrad

    Liebe Anna,

    herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag. Du hast hier alle wichtigen Punkte zum Thema „Gähnen bei Pferden“ beschrieben. Mein Pferd Rudi gähnt immer während dem Putzen:) Ist für mich auch ein absolutes Zeichen der Entspannung meines Pferdes.

    Wünsche Dir alles Liebe und Gute aus dem Allgäu:)

    LG Selina

    • AnniUe

      Hallo Selina,

      danke für deinen lieben Kommentar! Das freut mich, dass sich dein Pferd beim Putzen so schön entspannen kann 🙂

      Liebe Grüße zurück und einen schönen Tag
      Anna

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