Verhalten & Psychologie

Das Interieur – welcher Charaktertyp ist mein Pferd?

Genau wie wir Menschen haben auch Pferde verschiedene Charaktere. Dieses nennt man Interieur, das Gegenteil vom Exterieur. Einige stellen gerne Blödsinn an, andere hören Flöhe husten und gehen an die Decke und wieder andere sind die Ruhe selbst. Um mögliche Gefahrenquellen einschätzen zu können, solltest du wissen, welcher Charaktertyp es ist. Dabei gibt es nicht nur dieses eine Interieur, sondern ein Pferd kann auch einen Mix aus verschiedenen Typen haben.

Interieur ist rassenabhängig

Positive Eigenschaften des Pferdes können Ausgeglichenheit, Nervenstärke, Temperament, Intelligenz und Aufmerksamkeit sein. Negative wären Nervosität und Aggressivität. Doch nicht nur dies zeichnet das Interieur eines Pferdes aus, sondern auch, wie es das Futter verwertet. Ist es leichtfuttrig, so nimmt es schnell zu. Schwerfuttrige Pferde hingegen bekommen kaum was auf die Rippen. Das Immunsystem und Regenerationsvermögen zählen ebenso zu den Interieureigenschaften.

Oft ist das Interieur rassenabhängig. Andalusier gelten z.B. oft als sehr temperamentvoll, Quarter Horses als „coole Socke“ und Haflinger als fett und faul. Dennoch ist jedes Pferd anders und Ausnahmen bestätigen, wie jeder weiß, die Regel! Im Folgenden beschreibe ich euch ein paar Pferdetypen, die ich bisher kennengelernt habe mit all ihren Charaktereigenschaften:

Der Beschützer

ist meist ranghoch und recht groß und kräftig. Ein mutiges Warmblut eben. Er ist auf das Wohl der Herde bedacht und hat ein ausgeprägtes Bedürfnis nach gegenseitiger Fürsorge. Da dieser Charaktertyp sehr personenbezogen ist, zeigt er dies gelegentlich auch seinem Besitzer gegenüber. Gerade, wenn sich Pferde oder auch fremde Menschen nähern, die eine negative Aura ausstrahlen, neigt er dazu seinen Freund zu verteidigen, indem er den unerwünschten Besuch „angreift“.

Teilweise ist er so sehr auf das Wohl ihres Menschen bedacht, dass er bei Stürzen sofort stehen bleibt und sich umschaut. Er würde ihn niemals absichtlich verletzen und steckt sogar Schmerzen für ihn weg. Das äußert sich darin, dass er z.B. bei starkem Satteldruck nicht buckelt oder seinen Reiter abwirft, sondern ihm bereits vor dem Aufsteigen zu verstehen gibt, dass etwas ihm etwas wehtut.

Der Verspielte

hat einfach gerne Spaß. Zur der Sorte gehören meist junge und pubertierende Pferde. Bei manchen verschwindet diese Eigenschaft jedoch nie. Oft bei verschiedenen Ponyrassen. Sie spielen gerne mit Artgenossen und stellen viel Blödsinn an. Nicht selten kann man dieses Spielverhalten auch gegenüber des Menschen beobachten. Dabei spielt das Pferd z.B. beim Einfangen auf der Weide „Fangen“ oder räumt die Putzbox aus.

Mit diesem Charaktertyp kann man zur Abwechslung auch mal auf dem Platz spielen. Das Verhalten sollte allerdings keine Überhand nehmen, um Gefahren durch Ausschlagen und Steigen vorzubeugen. Stattdessen kann der Spieltrieb für Zirzensik genutzt werden. Diese Übungen haben gleichzeitig auch noch einen guten gymnastischen Effekt, was perfekt für Pferde jeden Alters ist. Häufig sind sie dabei sehr übermütig!

Die Rennsocke

kann man sie nur noch schwer zurückhalten, wenn der Turbogang erst einmal eingelegt ist. Dies passiert, wenn die Pferde in frühen Jahren nicht bzw. kaum gefördert und gefordert wurden oder sie zu wenig Auslauf haben. Unabhängig davon sind dies oft Vollblüter. Sie wollen ihren Übermut und Energie durch schnelle Sprints loswerden. Doch das kann sehr gefährlich werden. Gerade, wenn der Reiter keine Kontrolle mehr über sein Tier hat.

Das aufgenommene Futter bzw. die Energie daraus, wird sofort verwertet. Daher sind diese Pferde oft schwerfuttrig und haben ein weniger gutes Immunsystem. Dein Training in kurze konzentrationsfördernden Sequenzen unterteilen. Dazwischen immer ausgewogene Schrittpausen. Das beruhigt das Pferd. Galoppiert dein Pferd immer wieder von sich aus an, so bleib konsequent im Trab oder sogar im Schritt. Es darf seinen Willen nicht durchsetzen, aber auch nicht dafür gestraft werden!

Schmerz kann allerdings auch ein Davonlaufen herbeirufen. Das Pferd versucht hierbei vor seinem Schmerz zu fliehen und zieht das Tempo immer weiter an. Auch hier ist es wieder sinnvoll das Pferd von einem Tierarzt abchecken zu lassen.

Das schlaue Arbeitstier

sind regelrechte Musterschüler und wollen es ihrem Reiter immer recht machen. Dies artet gerne mal in Übereifer aus und es werden Lektionen vorweggenommen, frei nach dem Motto „schau mal, ich weiß was jetzt kommt! Hab ich das gut gemacht?“. Zu diesem Charaktertyp zählen unter anderem Shettys und auch Esel!

Bei diesem Typ Pferd ist es sehr wichtig das Training abwechslungsreich zu gestalten, da es sich schnell langweilt und sich dies sogar in Frustration entwickeln kann. Dabei ist es dann wichtig das Pferd bei Vorwegnahme nicht zu bestrafen, sondern Übungen immer an unterschiedlichen Positionen durchzuführen. So bleibt das Pferd aufmerksam. Leider merken diese Charaktere oft nicht, wann sie keine Kraft mehr haben, weil sie alles nahezu perfekt ausführen wollen. Daher muss der Reiter darauf Acht geben sein Pferd nicht zu überfordern!

Der stinkige Miesepeter

wirkt lustlos und energielos. Das strahlt er auch mit seiner Mimik aus, indem er z.B. seine Nüstern zusammenkneift. Für diesen Charaktertyp habe ich keine Rassebeispiele, denn jeder kann ja mal einen schlechten Tag haben, aber oft ist das Immunsystem nicht das Beste…

Stellt man diesen Typ Pferd nach dem Training immer wieder in diesem Zustand weg, verstärkt es sich teilweise so weit, dass es in Wut und Hass umschlägt. Das zeigt er nicht nur anderen Pferden gegenüber durch treten und jagen, sondern auch seinem Menschen. Dies kann allerdings auch auf Falsche Fütterung mit Mais und Gerste zurückzuführen sein. Sollte sich dieses Verhalten nicht bessern, ist es sinnvoll den Tierarzt zu rufen, um gesundheitlich alles abchecken zu lassen.

Am besten Motivieren kannst du diese Pferde durch ihre Lieblingsaktionen. Bei manchen ist es der Ausritt in den Wald, bei anderen eine bestimmt Dressurlektion und wieder andere Springen vielleicht für ihr Leben gerne. Schließe das Training positiv ab und lobe gaaaaanz viel.

Der Ungeduldige

scharrt mit den Hufe oder ist am Anbindeplatz sehr hibbelig. Häufig ist dann zu beobachten, dass das Pferd sich etwas zum drauf rum kauen sucht. Sei es der Anbindestrick oder auch der Zügel. Dieses Verhalte sehe ich oft bei Warmblütern, die unterfordert sind.

Es sollte dann nicht gestraft und schon gar nicht belohnt werden! Am besten einfach ignorieren und das Futter erst dann geben, wenn das Pferd sich beruhigt hat. Falls das Pferd anfangen sollte zu zwicken, damit es sein Futter bekommt, darf dies natürlich bestraft werden. Sowas gehört sich definitiv nicht!

Der Chillige

döst gerne auf dem Paddock, am Putzplatz und vor allem in der Sonne. Nichts kann diesen Charaktertyp aus der Ruhe bringen. Häufig können sie im Gelände noch besser abschalten und sind sogar da im Dös-Modus. Meistens sind dies die schweren Pferderassen, aber auch viele Ponys. Leider gehören diese auch häufig zu den leichtfuttrigen Pferden, die die aufgenommene Energie sich einlagert.

Beim Training ist es bei diesen Pferden wichtig ihre Aufmerksamkeit zu steigern. Dies gelingt gut durch Stangentraining und neue Übungen. Anschließend kann der Tag bei einer ausgiebigen Massage ausklingen.

Der Schreckhafte

ist kein charakterstarkes Pferd. Alle Gegenstände können dann zu furchteinflößenden Gespenstern mutieren. Oft sind dies hoch im Blut stehende Pferde, die sich über alles aufregen und sich hochschaukeln. Ist der Mensch dann auch noch angespannt, verstärkt sich dieses Verhalten noch weiter und kann zu gefährlichen Situationen führen. Meistens rennen diese Pferde kopflos davon…

Wichtig bei einem schreckhaften Pferd ist, dass die Führungsperson Ruhe ausstrahlt. Vertrauenstraining ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Habe Geduld, strafe dieses Verhalten keinesfalls und zeige Verständnis. Rede dem Pferd gut zu und beruhige es so.

Fazit

Man kann definitiv nicht alle Pferde einer Rasse über einen Kamm scheren!

Das Interieuer der Pferde kann sich mit der Zeit ändern und weiterentwickeln. Einen großen Einfluss darauf hat die Haltung und das Training des Pferdes. Aber auch das Verhalten und Gemüt des Reiters/Besitzers kann den Charakter des Pferdes stark prägen. Ist der Reiter eher zurückhaltend, so kann sich das Pferd entweder zum „Herdenführer“ oder zum Angsthasen entwickeln.

Wango, mein Haflinger, hat in der Zeit mit mir viele der Charaktere durchlaufen. Anfangs war er der Schreckhafte, daraus entwickelte er sich zum Beschützer. Bei ihm basiert alles auf dem Verspielten, denn er baut mit seinen nun 14 Jahren unheimlich viel Mist. Das kriege ich aus ihm auch nicht raus, aber das ist auch gut so. Mittlerweile ist er ein Mix aus dem „Verspielten“ und dem „schlauen Arbeitstier“. Ein klein Bisschen „Beschützer“ steckt auch noch in ihm, aber er sieht mich als Herdenführer. Da bin ich sehr stolz drauf!

Schreibt doch mal in die Kommentare zu welcher Rasse und Charaktertyp eure Pferde gehören und wie sie sich über die Jahre entwickelt haben. Das würde mich sehr interessieren!

2 Kommentare

  • L. S.

    Interessante Pferde-Charaktere 😉 Ich finde, auch wenn wir dazu tendieren, Pferde untereinander gleich zu behandeln oder in Gruppen einzuteilen (gemäss Deiner Charakterstudie), sollten wir nie aus dem Blick verlieren, dass jedes Pferd ein Individuum ist.

    LG Laura

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