Die natürliche Schiefe – ist mein Pferd Links- oder Rechtshänder?
Pferde sind ja, wie du sicher bereits weißt, nicht geboren, um von uns geritten zu werden. Wir müssen also das Fluchttier Pferd zu einem Reittier machen und es entsprechend muskulär aufbauen. Dabei legt uns allerdings die angeborene natürliche Schiefe des Pferdes Steine in den Weg. Um Verschleiß der Gelenke zu vermeiden, ist es wichtig für uns Reiter zu wissen, zu welcher Seite das Pferd schief ist.
Doch was ist denn eigentlich die natürliche Schiefe? Dies bedeutet nichts anderes, als dass das Pferd eine stärkere und eine schwächere Seite hat und es sozusagen dauerhaft zu einer Seite leicht gebogen ist. Dadurch entsteht eine hohle und eine steife Seite, wobei die Muskulatur auf der hohlen Seite leicht verkürzt ist. Diese Verkürzung ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich stark ausgeprägt.
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Woher kommt die natürliche Schiefe?
Es gibt verschiedenste Theorien und Studien, in denen man die natürliche Schiefe abhängig von Geschlecht oder Rasse des Pferdes macht. Die wohl bekannteste Theorie ist aber die Lage des Fohlens im Mutterleib. Aber auch die Lage des Blinddarms, der sich auf der rechten Bauchseite an der Flanke befindet, ist hoch im Kurs. Allerdings müsste dann jedes Pferd zur gleichen Seite schief und der Grad der Schiefe abhängig vom Füllgrad des Darms sein, was definitiv nicht der Fall ist!
Selbst die alten Reitmeister haben darüber bereits diskutiert und sind zu keinem einheitlichen Ergebnis gekommen. Guérinière war der Meinung jedes Pferd lasse sich leichter nach links biegen, Fillis empfand das Verhältnis als 50:50 und von Ziegner sah die natürliche Schiefe als Vorteil des Fluchttieres, da es so mit dem einen Auge weiter nach hinten und mit dem anderen nach vorne schauen kann.
Woran erkenne ich die hohle Seite des Pferdes?
Im Folgenden erkläre ich dir die natürliche Schiefe eines Pferdes anhand von meinem Haflinger Wango, der auf der rechten Seite hohl ist.
Auf diesem Bild kannst du gut erkennen, dass Wango beim Longieren auf der linken Hand seinen Kopf trotzdem nach rechts gestellt hat, die Mähne liegt dabei auf der linken Halsseite. Der Bauch schwingt stärker zur linken Seite und er lehnt sich mit dem gesamten Körper leicht nach innen. Das linke Vorderbein muss dadurch mehr Last tragen und abfangen, als das rechte und das linke Hinterbein tritt verkürzt mittig zwischen die Vorderbeine. Er ist auf der rechten Seite hohl, demnach ist Wango Linkshänder.
Beobachtest du ein Pferd, das frontal auf dich zukommt oder sich von dir entfernt, fällt dir auf, dass die Hinterbeine leicht versetzt zu den Vorderbeinen auffußen. Das Hinterbein der hohlen Seite tritt dabei, übertrieben dargestellt, außen am Pferd vorbei.
Bei der Bodenarbeit bzw. beim Reiten erkennst du die hohle Seite daran, dass sich das Pferd zu dieser Seite leichter stellen und biegen lässt. Außerdem fallen Zirkel auf der hohlen Seite tendenziell größer aus, während die auf der steifen Seite kleiner werden, als ursprünglich gefordert. Dabei fällt häufig auf, dass der Reiter auf der steifen Hand nach außen gesetzt wird und zum Ausgleich dabei in der inneren Hüfte einknickt.
Lässt du dein Pferd im Gelände galoppieren, wird immer der Galopp der hohlen Seite bevorzugt. Möchtest du es hingegen z.B. auf dem Zirkel in den Handgalopp der steifen Seite bringen, springt es oftmals im falschen Galopp an. Das sieht man vor allem bei jungen und unausbalancierten Pferden.
Exkurs: Anatomie
Genehmigen wir uns dazu einen kleinen Blick in die Anatomie des Pferdes. Von oben gesehen fällt auf, dass die Wirbelsäule einen leichten Bogen beschreibt. Hinzu kommt, dass die Hüfte nicht parallel zu den Schultern ist, sondern, übertrieben dargestellt, Schultern und Hüfte V-förmig zueinander stehen. Somit entsteht eine hohle, hier die rechte, und eine steife Seite. Dadurch verschiebt sich auch der Schwerpunkt des Pferdes, aus der Körpermitte heraus, in Richtung der steifen Seite.
Widmen wir uns als erstes den Beinen des Pferdes. Fußt das rechte Hinterbein vor, tritt es rechts an dem Abdruck des Vorderhufes vorbei. Somit tritt es zwar weit unter, schiebt dabei aber nicht und es liegt auf diesem Bein die geringste Last. Das linke Hinterbein hingegen, schiebt vermehrt nach vorne, tritt dabei aber deutlich weniger weit vor, da es unter den verschobenen Schwerpunkt fußen muss. Dieses Schieben, durch das nun das meiste Gewicht des Brustkorbs und Bauches nach links verschiebt, fängt das gleichseitige Vorderbein ab. Somit wird hier der „Stoßdämpfer“ stark beansprucht und das Pferd fällt häufig auf die linke Schulter. Das rechte Vorderbein wird entlastet und tritt normal vor.
Schauen wir uns nun den Hals des Pferdes an. Dieser ist nach rechts gebogen, der Kopf schaut dabei ebenfalls zur rechten Seite. Dadurch ist das Nackenband zur linken Seite des Pferdes versetzt, wodurch meistens auch die Mähne in diese Richtung fällt. Wird das Pferd auf beiden Seiten gleichmäßig trainiert, verlagert sich das Nackenband vermehrt in die Mitte des Halses und bei Pferden mit viel Mähne teilt sich diese in der Mitte. Das ist ein großer Schritt zur Geraderichtung!
Merke: Ist das Pferd zur rechten Seite hohl, muss es links mehr Gewicht aufnehmen, ist also demnach Linkshänder!
Warum muss ich mein Pferd geraderichten?
Wenn du dein Pferd von der Seite, z.B. beim Longieren, beobachtest, kannst du teilweise sehen, dass es mit dem Hinterbein der steifen Seite kürzer den Boden berührt, als das andere. Ebenso bei den Vorderbeinen, wobei das Vorderbein der steifen Seite schneller vorgreift, als das andere. Das Pferd läuft demnach nicht reell über den Rücken und verliert seine Balance. Es entstehen also Taktfehler. Wird dies nicht behoben, hat das Pferd immer eine ungleichmäßige Belastung auf den Gliedmaßen, die Erkrankungen des Bewegungsapparates, wie z.B. Spat, nach sich ziehen können.
Häufig hört man Aussagen, dass das Pferd dann besonders auf der steifen Seite gearbeitet werden muss. Das ist nicht der richtige Weg! So wird wieder eine Seite mehr belastet, als die andere und es kann zu den gleichen Erkrankungen führen. Viele Pferde, die noch nicht geradegerichtet sind, sieht man auch unter dem Reiter förmlich in die nächst höhere Gangart rennen. So fällt es ihnen leichter ihre Balance zu halten.
Ungerittenen Pferden fällt es leicht ihre natürliche Schiefe zu kompensieren, da sie für sich keine unnatürlichen Bewegungen ausführen würden. Erst wir verlangen diese Bewegungen von ihnen und beim Reiten müssen sie ein zusätzliches Gewicht ausbalancieren, welches sich dann auch noch eigenständig bewegt. Demnach ist in manchen Fällen die Schiefe eines Pferdes auch von Reiterhand gemacht bzw. verstärkt. Die Gründe können Sitzfehler, ein problematischer Körperbau oder auch die eigene Händigkeit sein. Wobei dies erst zum „Problem“ werden kann, wenn dein Pferd zur gleichen Seite schief ist, wie du.
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