Gamaschen oder Bandagen – haben sie Zweck und Nutzen?
Bei dem Thema „Beinschutz“ gehen die Meinungen häufig weit auseinander. Während viele Dressurreiter:innen gerne bandagieren, bevorzugen die Springreiter:innen eher Gamaschen als Beinschutz. Das Röhrbein des Pferdes besteht nur aus Knochen, Sehnen und Bändern. Da wäre doch ein Schutz auch angebracht. Doch was ist wirklich das Beste für das Pferdebein und welchen Zweck haben Bandagen und Gamaschen eigentlich?
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Der Trend geht allerdings immer mehr zu Pferdebeinen ohne Schutz, wie meine Umfrage in meiner Instagram-Story bewiesen hat. Dort nutzen bereits 64% keinen Beinschutz mehr. Wenn es doch welcher sein muss, werden von 91% Gamaschen bevorzugt. Vielen Dank an dieser Stelle an meine Community, die da so schön mitgemacht hat 🙂
Inhalt
Verwendung von Bandagen und Gamaschen
Eines haben die beide Beinschützer gemeinsam: Sie sollen das Pferdebein vor Verletzungen schützen und es bei anstrengenden Bewegungen stützen. Gamaschen werden durch die schnellere und leichtere Anbringung gerne bevorzugt. Außerdem lassen sie sich besser säubern, während Bandagen einfach viel schöner aussehen.
Gamaschen
Sie bieten, je nach Ausführung und Material, eher einen mechanischen Schutz für das Pferdebein. Dabei sollen sie vor allem beim Spring- oder Geländereiten vor Schlägen und Stößen schützen. Gerade, wenn das Pferd hinten beschlagen ist, kann es zu Verletzungen der Vorderbeine kommen, sollte es sich einmal hinein treten. Dies kann dann zu Wunden und Überbeinen führen.
Sogenannte Fesselkopfgamaschen bedecken zusätzlich einen Teil der Fessel des Pferdes, ähnlich wie Bandagen, und sollen zusätzlich eine Stützfunktion für Sehnen und den Fesseltrageapparat haben.
Bandagen
Diese soeben genannte Stützfunktion sollen auch Bandagen bieten, allerdings in abgeschwächter Form, da sie nicht so gleichmäßig am Bein anliegen. Da ihnen sonst keine Funktion zuzuweisen ist, werden sie meist nur als „Zierde“ für Shows genutzt. Quasi um das Pferd herauszuputzen.
Der Mythos „Stützfunktion“ ist jedoch bei beiden Sorten des Beinschutzes wissenschaftlich widerlegt! Die eigentliche Frage ist doch: Ist es noch pferdefreundlich, wenn ich mein Pferd beim Training schützen muss?
Kann Beinschutz mehr schaden als nutzen?
Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass Bandagen und Gamaschen eine wärmende Funktion haben. Diese Wärmeentwicklung am Bein ist abhängig von dem Material des Beinschutzes, der Umgebungstemperatur und -luftfeuchtigkeit. Natürlich spielen auch noch die Anstrengung des Pferdes im Training und die Geschwindigkeit eine Rolle. Wärme fördert ja die Durchblutung, was sich im ersten Moment gar nicht schlecht anhört. Irgendwann kann es dann zu einem Hitzestau kommen, der die Leistungsfähigkeit der Sehnen verschlechtert und sogar zu Langzeitschäden führen. Von einem Hitzestau bzw. Stauwärme spricht man, wenn die Kerntemperatur der Haut höher ist, als die eigentliche Körpertemperatur.
Eine Studie aus den USA, die bei „theHorse“ vorgestellt wurde, hat bewiesen, dass das Tragen von Bandagen und Gamaschen den Lymphfluss beeinträchtigen und zu Überhitzung der Pferdebeine führen kann und das die innen liegenden Sehnen schädigt. Dabei hat ein Team der Middle Tennessee State University of Murfreebboro bei Pferden die Temperatur der Beine bei der Nutzung 6 verschiedener Beinschützer gemessen. Das Ergebnis war erschreckend: Alle getesteten Beinschützer erreichten Temperaturen oberhalb der zellschädigenden Grenze! Fleecebandagen schnitten dabei mit der höchsten Temperatur und Feuchtigkeit am schlechtesten ab. Warum? Weil mit dem Anlegen eines Beinschutzes die natürliche Kühlfunktion des Pferdes gestört wird, da der Wärmetransport durch das Material blockiert wird.
Oft sieht man bei Pferden mit angelaufenen Beinen, dass diese bandagiert werden, um das Bindegewebe zu unterstützen. Das sieht zwar im ersten Moment nach dem Abnehmen der Bandage deutlich besser aus, allerdings behindert das Bandagieren noch stärker das ohnehin schon schlecht funktionierende Lymphsystem. Ebenso kann es dabei zu Blutstau kommen, wenn das Bein weiter anschwillt und die Bandage dadurch immer enger wird bzw. bereits zu eng bandagiert wurde.
Fazit
Ein solide ausgebildetes Pferd ohne Gebäudemängel, das taktklar läuft, benötigt KEINEN Beinschutz… Punkt! Gamaschen (und Bandagen) können zwar kleinere Kratzer verhindern, jedoch keine Schläge z.B. von Hindernisstangen abfangen. Auch die Stauchung beim Aufkommen nach dem Sprung kann keine Gamasche mildern!
Wer jedoch nicht darauf verzichten kann oder möchte, sollte den Beinschutz direkt nach dem Training abnehmen und die Beine des Pferdes kühlen. Achte bitte außerdem darauf, dass du den Beinschutz in Abhängigkeit des Pferdes und Trainings wählst: „Braucht mein Pferd heute einen Schlagschutz? Wie hoch belaste ich im Training die Sehnen und Bänder?“ und nicht vorsorglich irgendwas an die Pferdebeine klatscht, geschweige denn, damit es schön aussieht. Ich für meinen Teil, verzichte seit einiger Zeit weitestgehend auf Beinschutz und mein Pferd trägt höchstens Hufglocken, um die Eisen zu schützen.
Besonders schlechte Testergebnisse haben Neopren-Gamaschen erzielt, weil hier die Körperwärme isoliert wird. Diese können z.B. durch atmungsaktive und thermoregulierende Materialien ersetzt werden.
Möchtest du bei der Dressurarbeit unbedingt Bandagen verwenden, greife lieber zu Fleecebandagen, auch wenn sie eine höhere Wärmeentwicklung als Elastik-Bandagen erzielen, denn lieber zu warme Beine, als abgeschnürte, irreparable Blutgefäße.