Gedankenaustausch

Vermenschlichung unserer Pferde – bis zu welchem Grad?

Was bedeutet denn Vermenschlichung? Ganz einfach: wir übertragen unsere menschlichen Eigenschaften und Bedürfnisse auf unser Tier, in diesem Fall auf unser Pferd. Das ist nicht in jeder Situation angemessen und kann deinem Pferd im Worstcase sogar schaden! Und zwar immer da, wo die Anatomie des Pferdes unterschiedlich zu der des Menschen ist.

Ich zeige dir im Folgenden einige Beispiele, in denen wir unsere Pferde gerne mal vermenschlichen:

  1. Zeigen und erhalten von Zuneigung
  2. Verhalten beim Training
  3. Temperaturempfinden
  4. Sauberkeit und Erscheinungsbild

Zeigen und erhalten von Zuneigung

kuscheln

Häufig knuddeln und küssen wir unsere Pferde und vertrauen ihnen, im Namen der Freundschaft, unsere größten Geheimnisse und Probleme an. Daran ist auch nichts auszusetzen, allerdings erwarten wir teilweise auch von unserem Partner Pferd, dass es diese Umarmung erwidert oder zumindest duldet. Dass wir damit aber unaufgefordert seinen Individualbereich betreten und es dieses vielleicht in dem Moment gar nicht möchte, vergessen und ignorieren wir. Daraus wird dann schnell geschlossen, dass unser liebes Pferd uns gar nicht mag. Doch das ist völlig falsch und Vermenschlichung!

Pferde zeigen ihre Zuneigung einfach anders, nämlich durch Vertrauen und Entspannung. Ähnlich wie Menschen sich bei einer Begrüßung die Hand geben, schnuppern Pferde an dir bzw. an deiner Hand und sagen dir so „Hallo“. Teilweise blubbern sie dir zur Begrüßung sogar zu, aber das kann auch einfach ein Zeichen dafür sein, dass es sich auf Futter freut 😉 Anders als viele Pferdebesitzer denken, ist das Schubbern am Menschen KEIN Zeichen der Freundschaft, sondern meist konditioniert! Ich persönlich unterbinde das strickt, da es mir unangenehm ist.

Möchtest du deinem Pferd nun zeigen, dass du es lieb hast, dann liebe es einfach. Pferde spüren die Gefühle ihres Menschen.

Verhalten beim Training

Häufig hört man von Reitern und leider auch von Trainern den Spruch „Der testet dich nur!“. NEIN! Pferde testen nicht! Sie denken gar nicht über solche Situationen nach, sondern reagieren nach Instinkten. Sie schmieden vorher keine Pläne, wie sie dich heute am besten ärgern können. Pferde leben im Hier und Jetzt!

Das, was wir hier als „testen“ wahrnehmen, sind Empfindungen des Pferdes, wie Angst, Unverständnis oder sogar Schmerz. Darunter fällt z.B. bocken bzw. Widersetzen, scheuen oder Beinsalat bei widersprüchlichen Hilfen. Häufig fangen wir dann auch an auf unser Pferd einzureden und erklären ihm Dinge, die wir von ihm wollen oder dass es vor dem Gegenstand keine Angst haben muss. Pferde verstehen nicht, was du ihnen sagst. Sehr wohl aber hören sie deine Stimmlage, die entweder beruhigend oder erregend auf sie wirken kann.

Merke dir: Pferde sollten so behandelt werden, wie sie es verstehen können. Sie können unsere Sprache nicht lernen, deshalb MUSS sich der Mensch mit ihrer Sprache auseinandersetzen.

Temperaturempfinden

Gerade im Winter oder bei nassem Wetter findet eine Vermenschlichung der Pferde statt. Sobald es Herbst wird, werden die dicken Decken aus dem Schrank gezogen, denn wir Menschen ziehen uns ja auch Jacken an. Pferde fühlen sich bei Temperaturen von 0-15°C am wohlsten und erst ab -15°C beginnt bei einem gesunden Pferd die Thermoregulation. Ebenso wie das Wachstum des Winterfells, wird diese von den Decken negativ beeinflusst. Viele von uns wollen das sogar provozieren, damit das Pferd sich nicht dreckig macht oder beim Training im Winter nicht so sehr schwitzt und lange trocknen muss. Alles zu unserem Vorteil und alles andere als pferdegerecht!

Genauso ist es bei der Boxenhaltung. Bei schlechtem und kaltem Wetter bleiben die armen Pferde einfach im trockenen Warm – ihrer Box. Die Offenstallpferde können einem da schon echt leid tun, die bei Wind und Wetter draußen stehen und sogar den Unterstand und Schlafplatz mit anderen teilen müssen. Die haben es schon echt schlecht… Dabei ist das Leben im Herdenverband in der freien Wildbahn das natürlichste für Pferde, ebenso wie die ständige Bewegung, die sie täglich ausüben.

Sauberkeit und Erscheinungsbild

Wie ich ja in dem Punkt zuvor bereits angedeutet hatte, ist ein sauberes Pferd eine Erleichterung für den Reiter. Außerdem bleibt so ja die neue Schabracke länger sauber, die so gut zu der Reithose passt und dem Pferd so gut steht. Außerdem gefällt sie dem Pferd doch so. So ein Quatsch! Dem Pferd ist die Farbe egal, sie muss nur ordentlich passen und nicht drücken.

„Schau mal, er schnaubt. Die neue Schabracke scheint ihm zu gefallen!“

Pferde lieben es aber, gerade nach dem Training, wenn sie ein wenig geschwitzt haben, sich im Dreck zu wälzen. Leider wird das viel zu selten gewährleistet… In einem Punkt ist die Sauberkeit allerdings unabdingbar: Dem Stall! Da ist eine Vermenschlichung vom sauberen Zuhause sehr wohl angebracht, denn der Mist kann die Pferdehufe und -haut angreifen. Auch die Atemwege werden von dem Ammoniakgeruch stark beansprucht.

Heu vom Boden

Und wofür ist ein sauberer Stall noch gut? Zum fressen, genau. Leider sieht man viel zu häufig zu hoch gehängte Heunetze und Kraftfutter aus brusthohen Trögen. Wir essen ja auch von einem sauberen Tisch und legen unser Essen nicht auf den Boden. Und damit kommen wir zurück zur Anatomie: Pferde fressen in der Regel vom Boden aus. Darauf ist ihr Körper ausgelegt, sonst kann ihre Wirbelsäule, Hals- und Rückenmuskulatur Schaden nehmen. Auch die Zähne werden bei hoher Fressposition falsch abgenutzt, da sie der Unterkiefer nicht mehr vorschiebt.

Ein weiterer Punkt ist süßes Obst. Wir Menschen lieben es, generell zuckerhaltige Produkte, also kann es ja für unser Pferd auch nur gut schmecken. Das tut es in der Regel auch, ist aber alles andere als gut für den Stoffwechsel. Die Geschmackssynapsen von Pferden sind eher auf bitteren Geschmack ausgelegt, da sie in der Natur viele Kräuter zu sich nehmen. Selten finden sie mal Obst.

Fazit

Gegen eine Vermenschlichung deines Pferdes in MAßEN ist gar nichts einzuwenden, so lange es nicht auf Kosten seiner Gesundheit geht. Dein Pferd macht gerade beim Reiten alles andere, aber nicht die geforderte Lektion? Dann schau nach, woran es liegen könnte, anstatt es damit abzutun, dass dein Pferd dich verar… möchte. Dir ist kalt? Dann zieh dir eine Jacke an. Für dein Pferd ist es aber genau die richtige Temperatur, in der es aufblüht. Der Boden in der Box deines Pferdes ist zu dreckig, um davon zu fressen? Wenn dein Pferd schon in der Box stehen muss, dann halt sie wenigstens sauber, sodass dein Pferd artgerecht sein Heu vom Boden fressen kann.

Was ist deine Meinung zum Thema Vermenschlichung bei Pferden? In welchem der aufgeführten Punkte hast du dich wiedererkannt? Und waren meine Argumente gut genug, um dich davon zu überzeugen, etwas an deiner Denkweise zu ändern? Schreibe es mir gerne in die Kommentare.

Wer mir auf Instagram folgt, dem wird vielleicht schon aufgefallen sein, dass ich auch nicht immer so gedacht habe. Ich habe Wango früher auch aus einem Heunetz gefüttert und es so hoch aufgehängt, dass es nicht auf dem Boden hängt, wenn es leer war. Da war mir die Verletzungsgefahr einfach zu hoch. Außerdem hat er bis vor einem Jahr auch noch in der Box gestanden… Das Deckenthema ist bei mir auch aktuell. Ja, ich decke Wango bis zu einer gewissen Temperatur ein, da sein Winterfell nicht besonders ausgeprägt ist!

Deine Anna

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