Lektionen reiten

Das Schulterherein – Die Schlüssellektion

Das Schulterherein gilt in der Reiterei als Lösung vieler „Probleme“. Es gymnastiziert und kräftigt das Pferd, macht es also geschmeidiger und verbessert die Durchlässigkeit, das Gleichgewicht und zu guter Letzt auch die Geraderichtung. Außerdem versammelt es das Pferd und kann sogar eine lösende Übung sein.

Bewegungsablauf

Dieser Seitengang mit der geforderten Stellung und Biegung ist für das Pferd am natürlichsten. In Gefahrensituationen oder beim Ausweichen von Hindernissen springt das Pferd in dieser Bewegung zur Seite. Der Kopf und Hals wird in Richtung der Gefahr wendet, während es seinen Körper in die andere Richtung bewegt. Es flüchtet quasi im Schulterherein. Deshalb wird diese Lektion gerne als erster Seitengang geübt.

Beim Schulterherein bleibt die Hinterhand auf dem Hufschlag, während die Vorhand/Schulter Richtung Bahnmitte geführt wird. Von Vorne sind nur 3 Beine zu sehen. Das Pferd ist gegen die Bewegungsrichtung gebogen, dabei kreuzen nur die Vorderbeine. Das Pferd kann leichter einen höheren Versammlungsgrad erreichen.

Erhöhe ich die seitliche Abstellung, kann man von Vorne alle 4 Beine sehen und das Pferd muss eine höhere Kadenz halten können. Anders als beim Schenkelweichen ist das Pferd auch hier gebogen. Die Vorhand kreuzt vermehrt und die Hinterhand aus anatomischen Gründen nun auch ein wenig.

Trainingsziel

Schulterherein kann auf 2 verschiedene Arten mit unterschiedlichen Zielen geritten werden. Der Ursprung des Schulterhereins als solches liegt am Anfang des 18. Jahrhunderts, erfunden von dem Franzosen François Robichon de la Guérinière. Dieser führte es auf 4 Hufschlaglinien aus. Auf den Alltags-Reiter und -Pferd bezogen, ist diese Art der Ausführung eine lösende Übung. Durch das kreuzen der Vorder- und Hinterbeine, entsteht eine enorme Dehnung auf die Oberschenkel- und Lendenfaszien, die lösend wirkt.

Guérinière konnte das Schulterherein in verschiedenen Versammlungsgraden reiten und hat es so weit getrieben, dass er sein Pferd im Schulterherein passagieren konnte (siehe Foto unten). Dies ist nur mit einer sehr hohen Kraftaufbringung vom Pferd möglich. Es muss dazu jahrelang aufgebaut und trainiert werden. Wenn wir als „normale“ Reiter versuchen würden ein Pferd in der Passage Schulterherein zu reiten, schaffen unsere Pferde das am Anfang vielleicht einen Tritt, bevor sie in den Trab fallen. Wenn sie stärker werden, schaffen sie es von Zeit zu Zeit länger die Kadenz zu halten.

In den Richtlinien der FN hingegen wird es auf 3 Hufschlägen beschrieben. Dies ist eine neuere, abgespecktere Entwicklung. Vereinfacht kann man sagen, dass das Schulterherein auf 3 Hufschlägen als versammelnde Übung genutzt wird.

Hilfengebung und Training

Um das Schulterherein einzuleiten wird das Pferd mit dem inneren Zügel gegen die Bewegungsrichtung gestellt. Der äußere Zügel begrenzt dabei die Abstellung. Die Vorhand/Schulter wird durch eine Drehung des Reiterbeckens Richtung Bahnmitte geführt. Der äußere Schenkel wird verwahrend hinter den Gurt gelegt, damit die Hinterhand auf dem Hufschlag bleibt, während der innere Schenkel am Gurt liegt.

In den FN-Richtlinien für Reiten und Fahren Band 2, Seite 51 heißt es „Der Reiter muss bei allen Seitengängen […] zur inneren Seite hin sitzen… Falsche Gewichtsverteilung des Reiters stört die Balance und das taktmäßige Gehen des Pferdes.“ Für mich ist diese Aussage unschlüssig, da ich beim Schulterherein so entgegengesetzt der Bewegungsrichtung sitzen würde und damit das Pferd aus dem Gleichgewicht bringe. Ich verlagere mein Gewicht als Reiter grundsätzlich auf den Gesäßknochen, in welche Richtung mein Pferd gehen soll. Dass muss aber jedes Pferd-Reiter-Paar für sich entscheiden, wie es ihm einfacher gelingt.

Zur Verdeutlichung befinden wir uns im Schulterherein auf der linken Hand. Bevor das Pferd mit dem linken Hinterbein untertritt, senkt sich die linke Hüfte des Pferdes. Dadurch geht auch die linke Hüfte des Reiters nach unten. Das ist der Moment, wo der Reiter seinen linken, treibenden Schenkel einsetzt, um das Pferd zum Seitwärts aufzufordern.
Hebt sich im Anschluss das rechte Hinterbein vom Boden, nimmt gleichzeitig das linke Bein Last auf und schiebt nach vorne Richtung rechter Schulter. Dabei senkt sich die rechte Hüfte des Pferdes und des Reiters. In diesem Moment sollte der Reiter seinen rechten Gesäßknochen vermehrt belasten, um die Seitwärtsbewegung zu unterstützen.

Die Hilfengebung bleibt gleich, egal ob du das Schulterherein auf 3 oder 4 Hufschlägen reiten möchtest. Lediglich die Abstellung und Biegung ist auf 4 Hufschlägen größer.

Mögliche Fehler

  1. Das Pferd verlässt mit der Hinterhand den Hufschlag… gib auf beiden Zügeln leichte Arrêts, um dem Pferd zu sagen, dass es weniger vorwärts gehen soll
  2. Das Pferd kommt ins eilen… Verlangsame das Tempo bereits vor der Einleitung ins Schulterherein und/oder gehe nur halbe Tritte
  3. Das Pferd nimmt mit dem inneren Hinterbein keine Last auf… Pferden fällt es leichter mit dem äußeren Vorderbein die Lastaufnahme im Schulterherein auszugleichen. Nimm Tempo raus und verlagere deinen Schwerpunkt auf das innere Hinterbein.

weitere Fehler und ihre Lösungen kannst du hier lesen…

Fazit

Reduziert man das Schulterherein also auf die Ausführung durch einen „normalen“ Reiter, so könnte man sagen, dass ein stärkeres Seitwärts lösend wirkt und ein geringeres Seitwärts einfacher für die Versammlung genutzt werden kann. Steht dein Pferd sehr gut im Training, kann auch bei viel seitlicher Abstellung ein höherer Versammlungsgrad erreicht werden. Allerdings muss dabei der Unterschied zum Schenkelweichen sichtbar bleiben! Die Hinterbeine kreuzen beim Schenkelweichen deutlich mehr, als beim Schulterherein auf 4 Hufschlaglinien.

Deswegen kann man nicht pauschal für jedes Pferd-Reiter-Paar sagen, dass Schulterherein auf 3 Hufschlägen versammelnd und auf 4 Hufschlägen lösend und nicht auch massiv versammelnd ist.

Übungen zum Schulterherein

weitere tolle Reitübungen findest du hier!

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